Hintergrundinfos

Worum geht's bei Streetwise?

Räume haben einen positiven oder negativen Einfluss auf uns – sie verhalten sich nie neutral. Das Kooperationsprojekt «Streetwise» der Metropolitankonferenz Zürich verwendet neue Ansätze. Es untersucht die alltägliche Bewertung von Orten durch die Bevölkerung und macht sie sichtbar. Streetwise erfasst die menschliche Wahrnehmung von räumlichen Situationen und verwendet hierfür die Methode des Crowdsourcing: Einer grossen Zahl von Personen werden Bildpaare des öffentlichen Raumes online angezeigt.

Durch Anklicken eines Bildes geben diese jeweils eine Bewertung ab, womit ein Algorithmus trainiert wird. Durch eine sehr grosse Anzahl von Klicks lernt das System, Bilder selbstständig zu bewerten. So können schliesslich beliebige räumliche Situationen automatisch bewertet werden. Es entsteht die erste Karte der räumlichen Qualität in der Schweiz.

Kernideen

Es gibt keine neutralen Räume: Entweder sie helfen oder sie schaden uns. So klar bringt die Architekturkritikerin und Autorin Sara Williams Goldhagen auf den Punkt, welche Bedeutung räumliche Qualitäten für unser Zusammenleben haben. Für das Wohlbefinden oder für die Wahrnehmung von Sicherheit. Die Broken-Windows Theorie lehrt uns, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Atmosphäre – etwa gemessen am baulichen Zustand von Stadtgebieten –und Kriminalität besteht. Und Kevin Lynch belegt in seinem epochalen Buch “The Image of the City”, dass es kollektive Bilder der Stadt gibt, dass ein öffentliches oder allgemeines “Image” von Orten besteht. Und dass wir dieses erfassen können.

Die Zusammenhänge zwischen Raumwahrnehmung und Verhaltensweisen sind zentral für den Erfolg der politisch beschlossenen Siedlungsentwicklung nach innen (-> Akzeptanz von Nachverdichtung) oder für die Sicherheit (->Intervention und Prävention) – aber auch für jede weitere Politik- und Verwaltungsdomäne, die eine räumliche Komponente aufweist. Hierzu gehören Bereiche wie Gesundheit, Alter genauso wie die Freiraumplanung.

Früher: Ein Ressourcenproblem. Teuer, kompliziert, aufwändig und ortsgebunden. Gleichzeitig liegen nur punktuelle Daten über die Wahrnehmung von Räumen durch die Bevölkerung vor. Grund hierfür ist, dass die Erhebung entsprechender Informationen bislang mit unverhältnismässig grossem Aufwand in Form von Befragungen zu spezifischen Themen und spezifischen Orten verbunden war. Folge hiervon ist, dass etwa in der Siedlungsentwicklung Fragen der räumlichen Qualität vorschnell als “Geschmackssache” abgetan und die bedeutende Ortswahrnehmung der Bevölkerung kaum beachtet wurde. Die Effizienz- und Wohlstandsverluste lassen sich schwer abschätzen, sie dürften aber erheblich sein.

Heute ist es anders. Maschinenlernen erlaubt es seit einigen Jahren, komplexe Probleme wie beispielsweise der Filmgeschmack von Millionen von Netflix Nutzern oder die Konsumpräferenzen von Amazon Kunden zu lösen - oder eben die Raumwahrnehmung quantitativ zu untersuchen. Der springende Punkt ist hierbei: Während es sehr schwierig ist, “Sicherheit” oder “Atmosphäre” im Raum allgemein und abstrakt zu definieren, fällt es den Leuten sehr leicht, eine bestimmte und konkrete Situation mit Blick auf ihr Sicherheitsgefühl oder ihre Aufenthaltsqualität zu beurteilen, oder jeweils zwei Situationen zu beurteilen.

Streetwise macht sich dies zu Nutze, indem Algorithmen durch den Vergleich von vielen Bildpaaren die Einschätzung von Raumqualitäten erlernen. Ziel von Streetwise ist es, die Strassenweisheit, also das Wissen und die Betroffenheit der Bevölkerung, für Entscheidungen von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft systematisch nutzbar zu machen. Die Methode ist erprobt und bewährt, ein erläuterndes Video vonseiten MIT Media Lab aus Boston findet sich hier.